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Kolumne des Monats
20.08.2017, 07:18 Uhr
 
"Von Frauenqoute bis zum Gendergap- wie gelingt Gleichberechtigung richtig?" von Birgit Kelle
Vor vielen Jahren schieb ich für eine Parteizeitschrift der CDU einen Beitrag mit dem Titel: „Keine Frauenpolitik, nirgends“, was mir einiges an Diskussionen und Gegenwind einbrachte, gerade auch innerhalb der CDU. Die Fragen von damals stehen aber bis heute nahezu ungelöst weiter im Raum: Wo ist die Politik, die tatsächlich Gleichberechtigung und Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau schafft und allen gerecht wird, unabhängig davon, wie sie ihr Leben gestalten wollen?
 

Damals wie heute steht die Frauen- und Familienpolitik immer noch an der gleichen Stelle und verharrt in der Perspektive einer Politik für berufstätige Frauen. Man kann es auch die „Es ist noch immer nicht genug“-Politik nennen, denn solange sich in diesem Universum auch nur ein einziges Gesellschaftsfeld findet, in dem es weniger Frauen als Männer gibt, wird diese Politik nicht ruhen, die darauf aus ist, nicht etwas Gerechtigkeit oder Gleichberechtigung zu schaffen, sondern Gleichstellung, was allein schon im Wortsinn eine völlig andere Perspektive darstellt.

 

Die Frauenquoten-Diskussion ist ein Klassiker dieser Debatte. Man verabschiedet sich von Qualifikationen und stellt das Geschlecht eines Menschen in den Mittelpunkt eines Auswahlverfahrens oder eines Gesetzes. Nun entbehrt es nicht einer gewissen Komik, dass ausgerechnet diejenigen, die ständig darauf beharren, dass das Geschlecht eines Menschen doch bitteschön keine Rolle spielen solle, nun reihenweise Gesetze und Regelungen schaffen, die explizit nichts anderes tun, als die Menschen in Wesen mit und ohne Gebärmutter einzuteilen und dies auch noch gesetzlich zu zementieren. Problematisch ist aber etwas ganz anderes an dieser Denkweise, die erst dann Vollkommenheit sieht, wenn Männer und Frauen zahlenmäßig gleich vertreten sind:  Diese Sichtweise ignoriert schlicht und ergreifend, dass die Tatsache, dass es unterschiedlich viele Männer und Frauen in manchen Branchen gibt, rein gar nichts mit Ungerechtigkeiten oder gar Diskriminierungen zu tun hat, sondern schlicht und ergreifend mit unterschiedlichen Neigungen von Menschen. 

 

Erst kürzlich wurde mit großem medialem Aufschrei ein Mitarbeiter von Google entlassen, weil er genau dies  - wissenschaftlich untermauert – als Grund in den Raum gestellt hatte, warum auch bei Google weniger Frauen als Männer arbeiten: Weil Frauen, auch wenn sie es dürfen und selbst dann, wenn man es staatlich fördert, eben immer noch kaum in technische und wissenschaftliche Berufsfelder streben. Anstatt dies zur Kenntnis zu nehmen und vielleicht sogar als Vorteil auszubauen, verfallen wir in Deutschland aber lieber in Dogmatik.

 

Weltweit tun dies Feministinnen nicht minder, dabei ist keine Theorie zu blöde, um zu erklären, warum Frauen von Vorstandsetagen abgehalten werden. Uns allen sind die „Gläsernen Decken“ geläufig. Bekanntermaßen diese unsichtbaren Gebilde, die noch niemand fassen konnte, die Frauen aber am Aufstieg hindern. Seltsamer Weise stoßen sich Männer die Köpfe nicht am selben Glas. Doch auch die „Gläserne Drehtüre“ tauchte bereits auf, um das Phänomen zu beschreiben, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Frauen, die mit viel Medien-Tamtam in Führungspositionen gehoben wurden, oft schon ein Jahr später wieder raus sind. Dann in der Regel ohne Medienbegleitung. Feministinnen sagen, dies liege daran, dass man sie schnell wieder durch die Drehtüre nach außen katapultiert. Experten sagen: Wer nicht durch Qualifikation nach oben kommt, hält sich eben auch nicht lange. Und erst gestern las ich vom Begriff der „Gläsernen Klippe“, da werden all die Frauen in den Abgrund gestoßen, denen man eben nicht sichere, sondern höchst riskante Jobs in den Führungsetagen angetragen hat. Als ob diese Jobs für Männer sicherer wären. Die ganze Welt scheint insgesamt ein gläsernes und für Frauen extrem gefährliches Feld zu sein.

Es bleibt die falsche Perspektive, dass Gleichberechtigung nur erfüllt ist, wenn die Zahl von Männern und Frauen in einem Bereich gleich hoch ist.

 

Gleichberechtigung wurde noch vor zehn Jahren politisch mit „Chancengleichheit“ gleichgesetzt. Jeder soll unabhängig von seinem Geschlecht die gleichen Chancen haben. Den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Ausbildungsstellen, zu Posten und zu Ressourcen. Inzwischen spricht niemand mehr von Chancengleichheit – warum auch, diese ist ja auch längst gegeben – wir reden dafür über Gleichstellung der Geschlechter, was nicht weniger als „Ergebnisgleichheit“ meint. Und damit sind wir wieder bei der Quote. Gleich viele Frauen wie Männer überall.

 

Doch ist das wirklich ein erstrebenswertes Ziel von Politik, die sich selbst dem freien Individuum verschrieben hat? Ist es erstrebenswert, dass Männer und Frauen genau das gleiche verdienen, oder sollte nicht vielmehr derjenige mehr verdienen, der mehr leistet oder mehr Verantwortung trägt? Oder einmal diese Frage: Ist es eine erfolgreiche Politik, wenn gleich viele Männer wie Frauen in der Altersarmut stecken? Ich nehme an, jeder halbwegs klar denkende Mensch beantwortet diese Frage mit „Nein“. Im Bereich der Rente wäre also eine Gleichstellungspolitik völliger Irrsinn. Dort erleben wir gerade, dass der Unterschied in der Rente sich vor allem daraus errechnet, wer mehr Zeit in das Erwerbsleben und wer mehr Zeit in die Erziehung der nächsten Rentenzahler-Generation investiert hat. Der Gender-Gap in der Rente ist in Wahrheit keine Lücke zwischen Mann und Frau, sondern eine zwischen Menschen mit und ohne Kindern. Ein Mann, der die Kinder erzieht, während seine Frau Karriere macht, landet genauso in der Altersarmut wie es die Frau in der klassischen Rollenverteilung tut. Und deswegen taugt das, was uns im Moment leider durch alle Parteien hindurch an Rentenpolitik angeboten wird ,nicht, hier die Gerechtigkeitslücke zu schließen, denn das wahre Problem wird gar nicht angegangen. Eine Politik, die aber nur darauf aus ist Zahlengleichheiten zu produzieren, sieht nicht das Individuum, sondern nur die Masse.

 

Oder nehmen wir all die Bereiche in denen es um die Bewahrung von Sicherheit und Menschenrettung geht. Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr. Überall sieht man Bestrebungen, den Frauenanteil zu erhöhen. Der Anstieg der Zahlen wird überall gefeiert, die Frage der Effizienz oder des gesellschaftlichen Nutzens, geschweige denn der Gefahren wird nicht einmal andiskutiert. Zu groß ist die Angst, wie der Google-Mitarbeiter auf dem Scheiterhaufen des Sexismus verbrannt zu werden. Aber stellen wir mal die böse Frage: Wenn es brennt, wollen Sie dann gerettet werden, oder ist es wichtig dass gleich viel Männer wie Frauen ihr Haus stürmen. Ist es wesentlich, dass in jeder Hundertschaft der Polizei 50 Frauen sind, oder ist es wichtig, dass sie für Sicherheit sorgen können und Angriffen standhalten. Wenn wir Soldaten in Gefahrengebiete senden, ist es dann wichtig, dass die Statistik stimmt, oder die Ausrüstung und der Trainingsstand unserer Einheiten.

 

Nun bezweifeln nur noch vereinzelte Dinosaurier, dass es nicht in jedem der aufgezählten Bereiche phantastische und fähige Frauen gab und gibt, die ihren Weg mit Ehrgeiz an die Spitzen von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik gemacht haben. Frauen können, wenn sie wollen, eine ganze Menge. Wir werden seit 12 Jahren von einer Frau regiert, die man unterschätzt hat und die allen bewiesen hat, was sie drauf hat. Natürlich können wir Frauen, wir wollen aber nicht selten etwas anderes, als Männer. Jeder verheiratete Mann kann ein Lied davon singen.

 

Keine Frauenpolitik, nirgends. Ich muss es stehen lassen für den Bereich der Frauen, die nicht den Lebensläufen von Männern nachstreben. Eben weil sie Frauen sind. Ja, wir reden viel über die berufstätige Frau in diesem Land. Wir diskutieren über die Vorstandsposten – vielleicht 200 Frauen wären betroffen – die es an Frauen zu verteilen gäbe. Wir diskutieren Lohnunterscheide, die in der Regel nicht das Ergebnis von Böswilligkeit, sondern von unterschiedlichen Lebensläufen ist, wie etwa in der Frage von Kinderphasen.

 

Wir diskutieren darüber, wie wir noch mehr Frauen in die Berufswelt bekommen und sie dort nicht mehr Teilzeit, sondern Vollzeit anwesend sind. Wir diskutieren Krippenplätze, möglichst auch mit Schlafplatz, damit die Karrieren von Eltern nicht gestört werden – oder sollten wir nicht ehrlicherweise sagen: Damit die Verfügbarkeit von Erwachsenen für den Produktionsprozess möglichst ungestört ist.

 

Was wir im Zuge der viel zitierten Wahlfreiheit, gerade für Frauen, aber niemals diskutieren, ist die Wahl, nicht um jeden Preis berufstätig sein zu müssen, gerade wenn man Kinder hat. Nicht Karriere machen zu müssen, sondern eine vernünftige Balance zwischen Familie und Broterwerb zu finden. Genaugenommen diskutieren wir niemals die Perspektive von Müttern, die ihre Kinder gerne noch selbst großziehen wollen.

 

Keine Frauenpolitik, nirgends. Jedenfalls nicht für diejenigen, die sich dem Mantra, jede Frau wollen händeringend so schnell wie möglich nach der Geburt zurück an einen Arbeitsplatz, um dort nach Selbstverwirklichung zu suchen, verweigern. 

 

 

 


Birgit Kelle (42), arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Sie wurde 1975 in Siebenbürgen, Rumänien geboren. Sie ist verheiratet, Mutter von vier Kindern und in zahlreichen Frauen- und Familienverbänden engagiert. U.a. als  Vorsitzende des Vereins Frau 2000plus e.V., Vorstandsmitglied des EU-Dachverbandes New Women For Europe und stellv. Vorsitzende des Verbandes Familienarbeit e.V. In verschiedenen Landtagen und vor dem Familienausschuss des Bundestages trat sie als Sachverständige für die Interessen von Müttern und Familie, sowie als Expertin im Themenkomplex Gender auf. Sie ist Mitglied der CDU.  Im August 2013 erschien ihr erstes Buch zu Frauen- und Familienpolitik in Deutschland - „Dann mach doch die Bluse zu“ - im März 2015 ihr zweites Buch „Gendergaga“ – eine satirische Kritik an der aktuellen Gender-Mainstreaming-Politik. Am 15. Juli erschien aktuell ihr neues Buch „MUTTERTIER. Eine Ansage“ im Fontis Verlag, Basel. Kelle schreibt für zahlreiche Print- und Onlinemedien und als regelmäßige Kolumnistin für das Magazin FOCUS und die Tageszeitung DIE WELT.

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